Konzerterlebnis FREMD BIN ICH EINGEZOGEN – ein Rückblick

von | 17. Oktober 2020

Am 11.10. hat das Asambura-Ensemble die 50 Zuhörerinnen des CD-Release-Konzertes “FREMD BIN ICH EINGEZOGEN eine interkulturelle und kompositorische Neuinterpretation von Schuberts Winterreise” in der damit zu Coronazeiten ausverkauften Rembertikirche auf eine besondere Reise entführt:

Sie beginnt mit einem Bild der Suche. In Andeutungen erklingen Schubertsche Motive, kreieren hauchige Streicherklänge und ein stetiges Klopfen im präparierten Klavier eine unheimlich gespannte Stimmung, welche sich durch die von Mehdi Saei vorgetragenen und von Santur und Oud begleiteten persischen Gedichte zu einer melancholischen Klangmeditation ausweitet und in den von Yannick Spanier interpretierten Ausruf des Schubertschen Originals “Was soll ich länger weilen, dass man mich trieb hinaus” mündet.

„Ein Gefangener im Fernweh bin ich hier, und keine Stimme spendet Trost mir. Lass uns nehmen, was wir brauchen und uns auf den Weg ohne Rückkehr machen, um zu erfahren, ob überall der Himmel die gleiche Farbe mag tragen.“ heißt es im anfangs rezitierten Gedicht des persische Dichters Mehdi Akhavan Sales. Ähnlich wie der Protagonist der Winterreise beschreibt das lyrische Ich das Gefühl von Fremdheit und Einsamkeit. Zugleich gibt es die Hoffnung auf ein verbindendes Stück Himmel. Hierin liegt für mich die entscheidende Wendung, die sich durch die Kombination und Verbindung der Schubertschen Winterreise mit persischer Lyrik in der Komposition von Maximilian Guth ergibt: der Wanderer ist mit seinen Gefühlen und Sehnsüchten nicht allein, er hat ein Gegenüber. Dr. Bernhard Gleim, verwaltender Bauherr der St. Rembertigemeinde beschreibt diese Spiegelung in seinem Grußwort zum Programmheft so: “Zwei musikalische Traditionen stehen gleichstark nebeneinander und wir spüren im Verschiedenen das verbindend Gemeinsame: Schmerz, der sich viele Sprachen sucht, Einsamkeit, die auch in und aus anderen, uns zuerst fremden Stimmen spricht.”

Im weiteren Verlauf der Winterreise kommentiert das Kammerorchester den Dialog zwischen Klavier und Gesang immer wieder mit vielfältigen, inspirierenden und präzise abgestimmten Klangfarben, die sich stellenweise zu eigenen instrumentalen Stücken ausweiten. Die Spielfreude und Eingespieltheit des Ensembles sowie die ausdrucksstarke und differenzierte Gestaltung der Gesangsparts durch Mehdi Saei und Yannick Spanier lassen die verschiedenen Stationen der Winterreise zu lebendigen Bildern werden.

Die Klimax bildet das letzte Lied “Leiermann”. Hier kommt es zu einer wirklichen Begegnung zwischen Kunstlied und persischem Gesang. Das Bild am Schluss gleicht dem des Anfangs: Schubertsche Motive erklingen begleitet von hauchigen Streicherklängen und einem steten Klopfen. Aber sind wir noch dieselben oder hat die Reise uns verändert? Spüren wir eine Verbindung zu Menschen auf ihrer persönlichen Suche nach einem Himmel in gleicher Farbe? Die Zuhörerinnen des Release-Konzertes waren in jedem Fall sichtlich bewegt, was sich in langer Stille nach dem letzten Ton und anschließend langem Beifall äußerte.

Ich bedanke mich im Namen der Gemeinde St. Remberti für dieses besondere Konzerterlebnis und wünschen der CD viele Hörer*innen und dem Asambura-Ensemble alles Gute.

Lea Vosgerau (Kantorin St. Remberti)

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