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Freies Christentum

Die St. Remberti-Gemeinde Bremen

Können Sie sich vorstellen, dass eine Kirchengemeinde auf die Eigensinnigkeit ihrer Pastoren besonderen Wert legt und dies auch noch in ihrer Verfassung festschreibt? In der Bremischen Evangelischen Kirche gibt es eine solche Gemeinde: St. Remberti, im gut-bürgerlichen Stadtteil Schwachhausen gelegen. Der Vorspruch ihrer Gemeindeverfassung lautet: “Die St. Remberti-Gemeinde zu Bremen ist eine evangelische Gemeinde, sie umfasst die Angehörigen aller Bekenntnisse der Reformation in voller Gleichberechtigung. Aus ihrer Geschichte heraus weiß sie sich einem undogmatischen Christentum zugehörig. Die Grundlage des kirchlichen Lebens ist das von Jesus Christus verkündigte Evangelium. Ihre Pastoren sind ohne Verpflichtung auf eine bestimmte bekenntnismäßige Ausdeutung gehalten, dieses Evangelium ihrer Überzeugung gemäß zu verkünden, so wie sie es vor Gott und ihrem Gewissen glauben verantworten zu können.”

Im gottesdienstlichen Leben wirkt sich die Zuordnung zu einem undogmatischen Christentum darin aus, dass kein Glaubensbekenntnis gesprochen wird. Die nach dem fünften Bremer Erzbischof Rembert (865-888) benannte und aus einem Stift für Lepra-Kranke hervorgehende Gemeinde bekam bereits 1524 vom Rat der Stadt einen evangelischen Prediger: Johann Bornemacher. Mit ihm durchlief die junge evangelische Gemeinde eine harte Lehrzeit: Unter mysteriösen Umständen wird Johann Bornemacher auf einer Reise im Dom zu Verden 1526 gefangen genommen, wegen seines Protestes gegen die Marienverehrung grausam gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Auf das 19. Jahrhundert geht die liberale Gemeindetradition zurück. Zunächst leistet es sich die reformierte Gemeinde, dass auf eine ihrer Pfarrstellen ein lutherischer Pfarrer gewählt und ein lutherischer Pfarramtsstrang begründet wird. Dann ist es der “Neutralität in Glaubensdingen” des Bremer Senats als oberstem Kirchenherren zu verdanken, dass der freisinnige Prediger Wilhelm Nagel (1842-1864) der Gemeinde erhalten bleibt und nicht auf Druck konservativer Kreise aus seinem Pfarramt verbannt wird. Um die Jahrhundertwende heißt das lutherisch-reformierte Pfarramtsduo Dr. Bruno Weiß und Friedrich Steudel. Der Schwabe Steudel hatte in Württemberg sein Pfarramt verloren, weil er um der persönlichen Aufrichtigkeit willen es ablehnte, sich auf das apostolische Glaubensbekenntnis zu verpflichten. Weiß und Steudel harmonieren gut. Eine Änderung tritt 1915 mit Ewald Uhlig ein, dem aus Mähren kommenden nationalkonservativen Nachfolger von Weiß. Welten liegen zwischen ihm und dem um intellektuelle Redlichkeit bemühten Pazifisten Steudel. Faktisch spaltet sich die Gemeinde und wird erst Anfang der dreißiger Jahre unter dem Nachfolgerpaar Walter Schomburg, obwohl nationalkonservativ orientiert, und Heinz NöIle, dem liberalen Kämpfer gegen Nationalsozialismus und deutsches Christentum, wieder zusammengeführt. In der Nachkriegszeit ist es vor allem Heinz Nölle, bis 1973 Remberti-Pastor, bei dem das besondere bremische Kirchenverfassungsgut, die Lehr-, Glaubens- und Gewissensfreiheit der Gemeinden, besonders gut aufgehoben ist.
Wer sich diese Geschichte vergegenwärtigt, versteht die Präambelsätze der Gemeindesatzung. Überregional findet die Gemeindeprägung darin ihren Ausdruck, dass die führenden Gemeindeleute und ein Pastor dem Bund für Freies Christentum angehören, der sich für eine persönlich verantwortete, undogmatische, weltoffene Form des christlichen Glaubens einsetzt und Albert Schweitzer eine Vorbildfunktion beimisst. So verwundert nicht, dass der große Saal im Remberti-Gemeindehaus Albert-Schweitzer-SaaI heißt. In Bremen genießt heute die Remberti-Gemeinde vor allem in der Konfirmanden- und Jugendarbeit einen herausragenden Ruf. “Abenteuer Religion” heißt der Konfirmanden-Unterricht, der die Konfirmanden mit dem Christentum als “Religion unter Religionen” vertraut macht und damit etwas für ihre allgemeine Religions-Kompetenz tut und mit dem Projekt “Wir schreiben unsere Bibel selbst” für jeden Jahrgang eine eigene Jugendbibel verfasst.

Artikel aus: Junge Kirche 2/08, Seite 26

Albert Schweitzer (* 14. Januar 1875 in Kaysersberg bei Colmar, Elsaß-Lothringen; † 4. September 1965 in Lambaréné, Gabun) war ein deutsch-französischer Arzt, Philosoph, evangelischer Theologe, Organist, Musikwissenschaftler und Pazifist. Er gilt als einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts.

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