Gottesdienst am 15. So. n. Trinitatis
Orgelmusik zum Eingang
Begrüßung
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,6)
Das schreibt der Verfasser des ersten Petrusbriefs. Sorgt euch nicht! Das klingt beinahe zynisch in einer Zeit, in der unsere Demokratie aus den Fugen gerät, Kriege herrschen und die Natur unter der menschlichen Ausbeutung ächzt. Aber heute suchen wir Räume, die gedeihen und blühen, einfach so, ohne unser Zutun. Wir suchen Räume, in denen Menschen das Leben feiern, als gäbe es kein Morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Lied: Dich rühmt der Morgen
Eingangsgebet
Kyrie-Lied
Psalm 36 (Nr. 719)
Gloria-Kanon: Lobe den Herrn meine Seele
Lesung: Matthäus 6,25-34
Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: Sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Lied: Himmel, Erde, Luft und Meer (Nr. 504)
Predigt
Es gibt genug Gründe, sich um die Zukunft zu sorgen. Schon immer und in dieser Zeit scheinbar mehr denn je. Aber heute blicken wir dorthin, wo Leben erwacht, weil wir nicht sorgen.
1986 gab es eine große Katastrophe: Das Atomkraftwerk in Tschernobyl ist explodiert und verseuchte nicht nur das umliegende Gebiet, sondern weite Teile der Sowjetunion und Europas. Aber jetzt, nach bald 40 Jahren, ist dort eines der größten Naturschutzgebiete Europas entstanden. Auf einer Gesamtfläche von 4.000 Quadratkilometern in der Ukraine und Belarus hat die Natur sich ihr Leben zurückerobert. Noch immer findet man dort radioaktive Strahlung, aber Tiere und Pflanzen scheinen sich angepasst zu haben: Wölfe sind zurückgekehrt, seltene Wildpferde sind in erstaunlich stabiler Population zu beobachten. Luchse, Bären, Elche und Hirsche haben einen neuen Lebensraum gefunden. Seltene, als ausgestorben befürchtete Pflanzen blühen wieder auf. Der Mensch hat dafür nicht gesorgt, er hat es geschehen lassen.
Achtunddreißig Jahre lang trennte eine fast unüberwindbare Grenze Ostdeutschland von Westdeutschland. Man nannte sie den Todesstreifen, weil es lebensgefährlich war, die Mauer und Zäune zu überwinden. Heute ist auch dort ein einzigartiges Naturschutzgebiet entstanden: das Grüne Band. Dieser ökologische Korridor verläuft über 1.400 km von der Ostsee bis zum Bayerischen Wald. Es umfasst Küstengebiete, Flüsse, Wälder, Feuchtgebiete und Gebirge. Man entdeckt dort Seeadler und Schwarzstörche, Wildkatzen und Fischotter. Die Arnika-Pflanzen fühlen sich dort wohl und sogar Orchideen. Das Evangelische Bildungswerk Bremen bietet jedes Jahr Wanderungen entlang des Grünen Bands an: sie sind fast immer ausgebucht, weil dieser Weg auf dem Gründen Band so viel Versöhnung und Heilung in sich trägt. Der Mensch hat dafür nicht gesorgt, er hat es geschehen lassen.
In den meisten Kulturen feiern wir große Feste mit gutem Essen, oft wird das beste Fleisch serviert und davon reichlich. Die Kolonialisten und sogenannten Entwicklungshelfer des christlichen Abendlandes schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie sehen, wie eine arme Familie eine der wenig verbleibenden Ziegen oder Kälber schlachtet, um für die Hochzeit der Tochter die Teller reichlich zu füllen. Aber, oh Wunder: sie leben! Der Westen, das christliche Abendland, wollte dem globalen Süden über Jahrhunderte zeigen, wie man für Morgen sorgt. Aber jetzt müssen wir feststellen, dass gerade die Kulturen, die weniger für morgen sorgen, den weitaus besseren ökologischen Fußabdruck haben, weitaus weniger CO2 in die Atmosphäre pumpen und damit das Klima schützen: Sie können feiern, als gäbe es kein Morgen. Ist das ein Geheimnis, das wir erst wieder lernen müssen? Kraft ziehen aus den Festen, die das Leben feiern, in diesem Moment?
In zwei Wochen sind wir bei der ghanaischen Gemeinde in Haststedt zum Gottesdienst eingeladen. Wir sollen Speisen mitbringen, wie sie das letztes Jahr hier in Remberti auch gemacht haben. Da sollten wir uns nicht lumpen lassen und ein bisschen auftischen: von ihnen können wir lernen, wie man feiert im Gottesdienst und wie man speist, um richtig satt zu werden. 😉
„Sorget euch nicht um euer Leben“, sagt Jesus, „was ihr essen oder trinken werdet, noch um euren Leib, was ihr anziehen werdet“ (Mt 6,25). Jemand anderes sorgt sich um uns. „Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen.“ (Mt 6,28) „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ (Mt 5,26). „Seid ihr nicht noch kostbarer als sie?“
Jesus wendet sich mit dieser Rede an seine Jünger. Er sendet sie damit hinaus in die Welt, um die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden: Ein Friedensreich, eine gerechte Welt, eine von Liebe getragene Menschheit. Der wichtigste Satz dieser Rede steht am Schluss: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Eigentlich eine ziemliche Überforderung, dieses „sorget nicht.“ Aber was ausgesagt ist, ist Folgendes:
Wir finden Sinn und Erfüllung, wo wir nach diesem Friedensreich suchen. Natürlich müssen wir uns um unsere alltäglichen Bedürfnisse kümmern und auch für die Zukunft sorgen. Diese Fähigkeit macht den Menschen ja auch aus und unterscheidet ihn vom Tierreich. Aber das religiöse Leben richtet uns immer wieder neu aus und gibt uns eine andere Zielrichtung: Sinn und Erfüllung finden wir in der Dankbarkeit für das, was uns geschenkt ist und im Geben, in der Hinwendung zum Anderen. In Dankbarkeit Feste feiern, als gäbe es kein Morgen, in Dankbarkeit die Natur bestaunen, die ohne unser Zutun blüht, und dann wieder suchen, wo wir gebraucht werden, wo wir mit unseren Gaben für die Würde jedes Menschen einstehen können, das gibt Sinn und Erfüllung.
Martin Luther soll mal gesagt haben: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.“ Zukunftsängste bauen Nester in unseren Haaren, nisten sich in unseren Herzen ein und machen uns krank. Also lasst uns doch dafür sorgen, dass die Vögel flügge werden und sich aufschwingen in den Himmel. Sie drehen ihre Kreise über den Wildpferden und Bären in Tschernobyl und zwitschern in den Wäldern vom Grünen Band. Und wenn erstmal die Nester aus den Haaren und Herzen entfernt sind, können wir sehen, was zu tun ist, um heute am Friedensreich zu bauen.
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Amen.
Lied: Wer nur den lieben Gott lässt walten (Nr. 369, 1-3.7)
Fürbitten mit Zwischengesang
Vaterunser
Bekanntgaben
Lied: Komm, Herr, segne uns (Nr. 170)
Segen
Orgelmusik zum Hinausbegleiten