Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis, 21.7.2024
Orgelmusik
Begrüßung
Lied: All Morgen ist ganz frisch und neu (Nr. 440)
Psalm 51 (Nr. 727)
Gebet
Ewiges Licht, Liebe der Welt, wir bitten dich: zeige uns unsere Schatten und decke auf unsere Lügen. Beleuchte uns von innen und lass uns erkennen, wo wir fern sind von dir. Mit allem, was wir sind, Licht und Schatten, Freude und Trauer, Stärke und Schwäche, mit unserem Gelingen und Versagen wenden wir uns dir zu. Wir loben und preisen dich im Himmel und in der Weite. Lobe den Herrn, meine Seele. Amen.
Gloria-Kanon: Lobe den Herrn meine Seele
Lesung: Matthäus 5, 13-16
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Lied: Ins Wasser fällt ein Stein (Nr. 603)
Predigt (Epheser 5,8-14)
Die christliche Botschaft ist nicht banal.
Sie bleibt nicht bei den weltlichen Dingen stehen. Es geht um das große Ganze. Es geht um Himmel und Erde, um Wahrheit, um den Sinn allen Seins, um Metaphysik, also um die Fragen jenseits alles Stofflichen.
Neulich habe ich moderne Ratgeberliteratur gelesen. Ein ehemaliger Boxer und Guru der modernen Selbstermächtigungs-Szene schreibt dort, wie man erfolgreich wird. (Leider veröffentlicht der Herder-Verlag mittlerweile viel derartige pseudoreligiöse Literatur.) Immer wieder zitiert der Autor die Bibel:
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,“ schreibt er. Und dann spielt er auf Atemtechniken an und auf die Bedeutung von Trinkwasser. Er zitiert auch das „Licht des Lebens“ und verweist auf die Sonne als wichtigste Energiequelle. Er erwähnt den Geist Gottes aus dem Schöpfungsbericht und erkennt darin eine von Innen kommende menschliche Inspiration, spricht von der Schöpferkraft und meint damit unser Unterbewusstsein.
Aber genau das ist nicht gemeint. Das Jüdisch-Christliche kennt ein Gegenüber zur Schöpfung: einen Schöpfer. Es kennt das göttliche DU, das nicht aus dem Menschen selbst erwächst. Es kennt Brot und Salz und Licht, das nicht physikalisch zu messen ist, sondern nur im Glauben anzunehmen. Es kennt den Menschen in seiner Bedürftigkeit und Gott in seiner unendlichen Güte. Das „Licht der Welt“ sind Glaubende nicht aus sich heraus, sondern weil sie das Licht Gottes in sich tragen.
Selbstermächtigung oder auch „Empowerment“, ist aus christlicher Sicht ‚Sünde‘. Dieses große schwere Wort bedeutet zunächst einmal: Gottesferne. Ein Ort, in dem nicht das Licht Christi strahlt, wie auch immer wir dieses Licht deuten wollen.
Selbstermächtigung ist unbarmherzig. Denn im Umkehrschluss heißt dieses „Du hast alles, was du brauchst, in dir“, dass du selbst für dein Schicksal verantwortlich bist und niemand außer du selbst dich da herausziehen kann. Aus christlicher Sicht ist das unbarmherzig. Ich denke beispielsweise an kranke Menschen, an Gescheiterte, an Vernachlässigte, aber auch an jeden von uns, wenn wir uns fürchten oder hoffen wider alle Vernunft.
Natürlich können wir unseren Geist, unseren Willen, unseren Körper schulen. Das ist sogar gut und sinnvoll. Ich selbst übe auch Atemtechniken und trainiere Körper und Geist. Natürlich tragen wir Verantwortung für unser Handeln. Aber nach christlichem – und übrigens weitgehend allem religiösen Verständnis – verdanken wir uns nicht uns selbst und das Licht des Lebens ist eine Quelle jenseits des Kosmischen. Die Anthropologie, also die Lehre vom Menschen, ist im jüdisch-christlichen Verständnis eine ganz andere. Und hier setze ich mit dem Predigttext an. Er steht im Epheser-Brief, dessen Verfasser uns nicht bekannt ist und der einige Jahrzehnte nach Paulus schrieb.
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. (Eph 5,8-14)
Der Glaubende, die Glaubende steht im Licht Gottes. Und das verändert grundlegend seinen, ihren Blick auf sich selbst und auf die Dinge. Und mehr noch: Wer von diesem Licht erleuchtet ist, so heißt es dort, ist bereits von den Toten auferstanden, hat bereits Anteil am ewigen Leben. Aber heute geht es mir insbesondere um den ersten Aspekt: dem veränderten und verändernden Blick auf die Dinge. Wir blicken anders auf die eigene Vergangenheit und die bevorstehende Zukunft.
In wem das Licht Gottes strahlt, so wird in den vorausgehenden Versen erläutert, der lässt sich nicht mehr von leeren Worten verführen. In wem das Licht Gottes strahlt, der erkennt jetzt Habsucht und Missbrauch und Lüge und nennt es beim Namen. Er deckt sie auf, allen voran bei sich selbst. Wo bin ich eigensinnig und schade damit. Wo regiert Angst mein Leben und lässt mich nicht frei atmen? Wo verletze ich die Integrität anderer? Diese Negativbeispiele beschreibt der Epheserbrief als unfruchtbare Werke der Finsternis. Dort ist Schlafen, dort ist Tod, dort ist also das Nicht-Wachsam-Sein, das Nicht-Leben.
Licht ist demgegenüber der Ort der Gottesnähe, des Aufstehens im Leben.Hier herrschen Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Diese drei Eigenschaften stehen stellvertretend für das Gute schlechthin. Sie decken auf, wo etwas im Argen ist, sie sind die Aufklärer, die Aufdecker, die Lichtbringer.
Als Kinder des Lichts wandeln meint, was auch in der heutigen Lesung das Matthäusevangelium aussagt: „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten!“ (Mt 5, 16)
Genau nicht, was ich in der modernen Spiritualität erlebe, ist der Auftrag. Es geht nicht um Selbstzentrierung, Innerlichkeit, Selbstermächtigung, Ich-Orientierung. Immer und überall sagt die christliche Botschaft: Geh raus in die Welt, leuchte, heile, vergebe, rette! Sei das Salz der Erde, sagt das Matthäusevangelium im heutigen Lesungstext: sei durch das Evangelium die notwendige Würze, mache durch dein Handeln und deine Worte haltbar, was sonst viel zu schnell vergeht.
Aufgabe der Glaubenden, ja ‚der Kirche‘ ist es, so diese Botschaft, allen Menschenkindern das Geheimnis Gottes zu erschließen, Licht ins Dunkel zu bringen: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Es fängt bei uns selbst an und strahlt von dort nach außen.
Aber niemals dürfen die Leuchtenden vergessen, dass sie nicht aus sich selbst heraus Licht sind. Sie sind „Licht im Herrn“ (Eph 5,8). Und am Ende der Rede: es ist Christus, der erleuchtet. Im ersten Johannesbrief des Neuen Testaments heißt es ganz schlicht: „Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.“ (1. Joh 1,5)
Licht als Metapher für Wahrheit oder für das Gute ist auch in der antiken Philosophie verbreitet.
Der griechische Philosoph Platon beschreibt die Möglichkeit von Erkenntnis einmal mit einem Gleichnis: Wie die Sonne Quelle des Lichts ist, so ist Wahrheit und Erkenntnis die Quelle des Guten. Wo es leuchtet, geht es nicht mehr um Werden und Vergehen, da geht es um das Unvergängliche und Ewige.
Zu allen Zeiten haben Menschen erlebt und erleben wir bei uns selbst, dass nicht überall dieses Licht strahlt. Als biologische Wesen haben wir einen starken Selbsterhaltungstrieb, der unfassbar egoistisch ist und nur uns selbst und unserem biologischen Nachwuchs dient. Wir haben grundlegende Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf, Sexualität und Spaß. Als solche sind wir – im Einklang mit der Natur – vergänglich. Nichts daran ist falsch. Nichts daran ist schlecht.
Aber wo der Mensch sich nach dem Unvergänglichen sehnt, Wahrheit erkennen will, den Sinn des Lebens erforscht und so allererst Kultur entsteht, da übersteigen wir das Biologische und Physikalische, ja alles Stoffliche und Messbare. Da beginnen wir nach dem Licht zu suchen, das schon vor uns geleuchtet hat und uns in Ewigkeit überdauern wird. Es ist nicht die Sonne, wir nennen es Gott und in seinem Sohn wurde es Mensch und wohnte unter uns. Amen.
Lied: Du Morgenstern, du Licht vom Licht (Nr. 74)
Fürbitten und Vaterunser
Bekanntgaben
Lied: Der Sommer weht ins Land
Segen
Orgelmusik zum Hinausbegleiten