Orgelmusik
Begrüßung
Es ist der zweite Sonntag der Passionszeit, Fastenzeit, eine vierzigtätige „Wüstenzeit“, Zeit der inneren Vorbereitung auf Karfreitag und Ostern.
„Reminiscere“ heißt dieser Sonntag: „erinnern“. Es sind Worte aus dem 25. Psalm, der diesen Sonntag prägt. „Gedenke deiner Barmherzigkeit“, heißt es dort. Vergiss uns nicht, Gott und was du uns zugesagt hast!
Auch wir erinnern. Erinnern den 24. Februar vor zwei Jahren, als Russland die Ukraine attackierte, als wieder Krieg an Europas Grenzen begann. Es gibt so viel Leid seitdem, so viele Tote, Geflüchtete, voneinander Getrennte.
„Meine Augen sehen stets auf den Herrn“, hören wir den Psalmenbeter später sagen.
Dem Leid, der Angst, nicht ausweichen, hinschauen, aber es als etwas betrachten, das Gott überwinden kann, schon überwunden hat, darum soll es heute gehen.
Zwei Passions-Lieder habe ich für heute ausgesucht, aber zunächst mal beginnen wir mit einem Lied, das uns hier ankommen lässt in Gottes Haus.
Lied: Tut mir auf die schöne Pforte (EG 166, 1-4)
Psalm 25 (Nr. 713)
Gebet
Kyrie-Lied
Lesung: Johannes 3,14-21
Das Evangelium für den heutigen Sonntag Reminiszere steht bei Johannes im dritten Kapitel. Jesus spricht darin zu Nikodemus, einem jüdischen Gelehrten. Ich lese nach der Übersetzung der Basisbibel:
Es ist wie damals bei Mose, als er in der Wüste den Pfahl mit der Schlange aufgerichtet hat. So muss auch der Menschensohn erhöht werden,damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab. Jeder, der an ihn glaubt, soll nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er sie verurteilt. Vielmehr soll er die Welt retten.Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt. Wer aber nicht glaubt, ist schon verurteilt. Denn er hat nicht an den geglaubt, der Gottes einziger Sohn ist.
So geschieht die Verurteilung: Das Licht ist in die Welt gekommen. Aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Denn ihr ganzes Tun war böse.Jeder, der Böses tut, hasst das Licht. Er tritt nicht ins Licht, damit seine Taten nicht herauskommen.Wer sich bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, tritt ins Licht. Seine Taten sollen bekannt werden, denn Gott selbst bestimmt sein Handeln.«
Lied: Herr, stärke mich (Nr. 91, 1-6)
Predigt (4. Mose 21, 4-9)
Heute geht es um Schlangen. נְחַ֣שׁ im Hebräisch, da hört man richtig die Schlange züngeln. Wie wir uns von dort aus einen Weg zur Barmherzigkeit Gottes schlängeln, von der ja der Psalm sprach und was das mit Heilung und Rettung zu tun hat, wie es der Evangelist Johannes deutet, das werden wir sehen.
Die listige, falsche Schlange, sagen wir und meinen damit nichts Gutes. Im 140. Psalm schreibt ein verzweifelter Beter: „Errette mich, Herr, von den bösen Menschen; behüte mich vor den Gewalttätigen, die Böses planen in ihrem Herzen und täglich Krieg erregen. Sie schärfen ihre Zunge wie eine Schlange, Otterngift ist unter ihren Lippen.“
Wir wissen auch, dass es die Schlange war, die Eva in der Paradieserzählung versuchte. Zur Strafe soll sie fortan auf dem Bauch kriechen und Erde fressen, heißt es in der Bibel.
Im Alten Ägypten symbolisiert eine Kobra, die Uraios-Schlange, die Macht des Pharaos. Sie sitzt wie eine Krone auf seinem Haupt und vertreibt mit ihrem Gift alle Widersacher: ein Macht-Symbol.
Im christlichen Mittelalter versinnbildlicht die Schlange den Teufel und der Erzengel Michael ist ihr Bezwinger.
Und vorne auf dem Liedblatt finden Sie die den Äskulap/Asklepios-Stab, das Zeichen des Apotheker- und Ärzte-Standes. Asklepios, der griechische Gott der Heilkunde, soll bei seinen Heilungs-Einsätzen immer eine Natter bei sich gehabt haben, die sich um seinen Wanderstock ringelte. (Weil er mit seinen Heilkünsten einmal einen Toten wieder zum Leben erweckte und damit eine göttliche Grenze überschritt, ließ ihn Zeus töten.)
Die Schlange ist also in vielen Kulturen der Welt ein wichtiges Symboltier. Mal steht sie für die Unterwelt und das Totenreich, mal wegen ihrer Häutung für Verjüngung und Heilung, oft ist sie Zeichen zwiespältiger göttlicher Macht.
Ich lese dazu den Predigttext für den heutigen Sonntag. Er steht im vierten Buch Mose. Das Volk Israel war aus Ägypten aufgebrochen und hat bereits vierzig Jahre zehrende Wüstenerfahrung hinter sich, die Hoffnung auf das gelobte Land schwindet, die Nerven liegen brach. Da befinden wir uns in folgender Szene:
Die Israeliten zogen vom Berg Hor weiter in Richtung Schilfmeer. Dabei nahmen sie einen Umweg um das Land Edom herum. Das Volk aber wurde auf dem langen Weg ungeduldig.Die Israeliten beklagten sich bei Gott und bei Mose: »Wozu hast du uns aus Ägypten herausgeführt? Sollen wir in der Wüste sterben? Nicht einmal Brot und Wasser gibt es hier. Wir ekeln uns vor dem schlechten Essen!«
Darauf schickte der Herr Giftschlangen zum Volk. Viele Israeliten wurden gebissen und starben.Das Volk kam zu Mose und bat: »Wir haben Unrecht getan, als wir so mit dem Herrn und mit dir geredet haben. Bete zum Herrn, dass er die Schlangen von uns fortschafft!« Daraufhin betete Mose für das Volk.
Der Herr antwortete Mose: »Fertige eine Schlange aus Bronze an und befestige sie oben an einer Stange. Jeder, der gebissen wurde, soll sie ansehen. Dann wird er am Leben bleiben.«Da machte Mose eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Und tatsächlich: Wer gebissen worden war und die Bronzeschlange ansah, blieb am Leben.
Man vermutet, dass im Zweiten Jerusalemer Tempel eine bronzene Schlangenfigur aufgestellt war, mit der diese Erzählung verknüpft war. Sie sollte zeigen: Gott ist auch Herr über die lebensbedrohliche Macht der Schlangen. Gerade in der Wüste Negev gab und gibt es durchaus tödliche Vipern, Nattern und Kobras.
Aber was sagt uns diese Erzählung? Wie können wir sie deuten?
Klar ist, dass zunächst mal die mürbe-machenden Worte der Leute wie Schlangengift sind: sie bereuen, jemals aufgebrochen zu sein aus Ägypten, sie geben Mose und Gott die Schuld für ihre Situation, sie misstrauen Gott, sie klagen und wollen nicht mehr weiter. Eine Analogie zu der über vierzigjährigen Exils-Erfahrung in Babylonien, die die damaligen Verfasser womöglich bereits hinter sich hatten.
Ihr „nefesch wird kurz“, heißt es dort im Hebräischen: also sie verlieren ihren langen Atem oder auch: ihr Lebensodem wird immer weniger. Das mindset des Wüstenvolks ist lebensverneinend, ist todbringend, ist also Gott-verachtend.
Das bekommen die klagenden, mit dem Finger auf andere zeigenden Menschen gespiegelt, überdeutlich: Sie sehen vor sich, was in ihnen drin ist: Schlangen: bedrohliches Gift, das sich um einen windet, erstickt und beißt. Gott hält ihnen den Spiegel vor, als er die Schlangen schickt – und sie verstehen. Sie gehen also zu Mose und sagen: „Wir haben Unrecht getan, als wir so mit dem Herrn und mit dir geredet haben. Bete zum Herrn, dass er die Schlangen von uns fortschafft!“ Aber so einfach ist es nicht.
Der Prophet geht in Kontakt mit Gott und erhält einen Auftrag: Mose soll eine Symbolfigur aus Bronze aufstellen, in Form einer Schlange. Wer hinschaut, wer sie ansieht, der bleibt am Leben. So zeigt Gott seine Zuwendung, seine Barmherzigkeit.
Was für ein spannendes Zeichen! Schau hin – dann ist Heilung möglich! Sieh dir genau an, was lebensfeindlich ist, was dich beißt und würgt, sieh an, was dir Angst macht, begreife, dass es zu bändigen ist, dass es vielleicht nur ein Abbild deines Inneren ist. Sie es dir an!
„Wer gebissen worden war und die Bronzeschlange ansah, blieb am Leben“, so schreibt es die Bibel.
Was ist es noch, dass die Menschen in dieser Bronze-Schlange, der „ehernen Schlange“ erkennen sollten?
Gott ist Herr über Leben und Tod, Herr auch über die tödliche Schlange, die Unterwelt, Herr über die Schlange, die Eva geprüft hat. Mächtige Schlangen dienen Gott sogar als beflügelte Schlangenwesen, Serafin, die seinen Himmelsthron beschützen sollen.
Aber es gibt noch einen clue: Erst in der Krise, als Gebissene, erkennen die Menschen Gottes Macht, werden geheilt und können dann weiterleben, als Gerettete.
Ist das vielleicht der Anknüpfungspunkt für die neutestamentliche Erzählung beim Evangelisten Johannes? Wir haben sie vorhin gehört; sie ist dem heutigen Predigttext zur Seite gestellt.
„Es ist wie damals bei Mose, als er in der Wüste den Pfahl mit der Schlange aufgerichtet hat. So muss auch der Menschensohn erhöht werden,damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat.“
Wie geht das zusammen? Der Gekreuzigte ist doch keine Schlange! Was will der Evangelist uns damit sagen? Gehen wir mal weiter im Text. Der Evangelist Johannes schreibt: „Das Licht ist in die Welt gekommen. Aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Denn ihr ganzes Tun war böse.“ Und weiter: „Wer sich bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, tritt ins Licht.“
Der Wahrheit ins Auge sehen, ist es das? Verbannen wir die Finsternis, unsere Ängste, vielleicht auch die tödlichen Schlangenbisse, wenn wir sie zu einem Abbild machen und dahinter, darüber das Licht sehen, die alles überwindende Kraft Gottes?
„Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.“ So haben wir vor der Predigt aus dem Gesangbuch gesungen. „Dein Kreuz sei mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.“
Was ist es, dass die Menschen beim Blick auf die Bronzene Schlange heilte? Was ist es, das uns beim Blick auf den am Kreuz Gedemütigten heilt? Warum nennt ihn Johannes den Erhöhten?
Der durch die Krise gegangene Mensch, der Gebissene, sieht am Kreuz ein Abbild seines Leids, sieht seine ganze Angst, die Schwäche, das Versagen, sieht das lebensfeindliche Potenzial. Der Betrachter blickt es an und erkennt, dass Gott all das überwunden hat. Dahinter und darüber ist das Licht. Es überwindet die Dunkelheit, es überwindet das Gift der Schlange, es rettet dich.
Schau hin, zeige Empathie, blicke das Leiden an, schau auch deine Angst an und sei gewiss, dass Gott die Kraft hat, all das zu überwinden. Schau hin, dann ist Heilung möglich! Amen.
Lied: Am Abend der Welt
Fürbitten mit Zwischengesang:
Gott wir bitten für die Verstorbenen aus unserer Gemeinde, für ihn und sie. Deine Liebe kennt kein Ende und so bleiben sie in Ewigkeit deine Kinder. Darauf hoffen wir und das gibt uns Trost. Sei bei den Angehörigen, richte sie auf und führe sie zurück ins Leben. Sei auch in uns, Gott, damit wir die richtigen Worte finden, sie zu trösten, damit wir tun, was in diesem Moment hilft.
Gemeinsam singen wir: bonum est confidere
Wir denken heute an den nun zwei Jahre währenden Krieg in der Ukraine. Niemand weiß, wie viele Soldatinnen und Soldaten ihr Leben dort gelassen haben, man schätzt, es sind 70.000 ukrainische und 120.000 russische Kämpferinnen und Kämpfer, darüber hinaus Menschen, die wehrlos starben, unzählige Verletzte. Was muss passieren, dass das Töten endet, Gott? Wie kann Frieden werden? Frieden auch für die Menschen in Israel und Palästina und an anderen Orten der Welt? Lass uns hinschauen und dann bringe Heil, du Gott des Lebens.
Gemeinsam singen wir: bonum est confidere
Wir sind angekommen in den 40 Tagen vor Ostern, bereiten uns vor auf die Krise von Karfreitag, dem menschlichen Versagen, der Verachtung, Verleugnung, Folter, dem Sterben des Gottessohnes. Aber wir wissen schon jetzt, dass du uns Menschen nah bist, ‚selbst in der tiefsten aller Krisen‘, dass du aufrichtest und heilst, ‚selbst am Ende unsrer Tage‘.
Gemeinsam singen wir: bonum est confidere
Gott, in jedem von uns steckt auch etwas von der listigen Schlange, von bösen Zungen, wir kennen das Dunkel von Verachtung, von lebensverneinendem Wegducken und Selbstmitleid. Halte uns den Spiegel vor, lass uns hinschauen, damit wir unser Dunkel erkennen und wieder zum Licht finden, zum Guten, zu dir.
Gemeinsam singen wir: bonum est confidere
Vaterunser
Lied: Holz auf Jesu Schulter (Nr. 97, 1-4)
Bekanntgaben
Lied: Bewahre uns Gott (Nr. 171)
Segen
Orgelmusik zum Hinausbegleiten