Gottesdienst am Totensonntag | Esther Joas

von | 26. November 2023

Orgelmusik: You’ll never walk alone

Begrüßung                                 

Im Namen Gottes, Schöpfer der Welt, Liebe, die bewegt, Geist, der verbindet. Amen.

„Durch das tiefe Mitgefühl Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe.“ (Lk 1,78). Mit diesem Vers aus dem Lukasevangelium haben wir dieses Jahr zum Totensonntag eingeladen. Alle Angehörigen, deren Verstorbene wir dieses Jahr bestattet haben, haben von uns ein Schreiben bekommen, denn heute verlesen wir deren Namen. Dieser Vers findet sich beim Lobgesang des Zacharias, dem so oft vertonten Benedictus. Er folgt auf das Magnificat der Maria. Eine sehr junge Mutter und ein sehr alter Vater, die jeweils Gott preisen für das Wunder des Lebens. So beginnt das Evangelium nach Lukas. Aber dieses tiefe Mitgefühl Gottes gilt nicht nur am Anfang des Lebens. Es gilt auch am Ende des Lebens und allen, die trauern. Ein Mitgefühl, das das aufgehende Licht aus der Höhe erstrahlen lässt. Was für ein wunderbares Bild.

Heute gedenken wir und feiern Abendmahl. Ein Fest der Stärkung und der Erneuerung. Unsere Lieben nehmen wir dabei in unsere Mitte.

Gebet

Lass uns ankommen und ruhig werden an diesem Ort, in diesem Raum. Ewiger, wir bitten dich: Sei heute mitten unter uns mit deiner Liebe, deinem Trost. Wirke in uns, damit wir Vergebende sind, lass dich finden im Schmerz, in der Trauer, in der Leere, aber auch in der Fülle, in der Freundschaft, in der Hingabe zu unseren Mitmenschen. Nimm uns an mit unseren engen Grenzen, unserem verlorenen Zutrauen, mit unserer Sehnsucht nach Geborgenheit, nimm an, was uns beugt und lähmt, mach uns weit wie der Himmel. Amen.

Kyrie-Lied: Meine engen Grenzen

Psalm 90 in Auszügen und freien Elementen  

Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. 

Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!

Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.

Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst und des Abends welkt und verdorrt.

Wenn das Leben endet, manchmal unerwartet und früh, dann fragen wir: Warum? Doch es bleibt still.

Unsere Jahre verfliegen. Was ist kostbar gewesen? Was schmerzlich und hart? Und was einfach vorbei?

Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Wende dich uns zu und erbarme dich. Erfülle uns jeden Morgen mit deiner Barmherzigkeit, dann jubeln wir und freuen uns alle Tage.

Bringe uns Freude, denn das Sterben bedrückt uns. Wir haben schlechte Jahre gesehen. Zeige uns dein Wirken, deine ganze Pracht.

Der Herr unser Gott wird Wonne über uns bringen. Dann gelingt das Werk unserer Hände. Ja, was wir tun, das wird gelingen.

Gloria-Kanon: Lobe den Herrn meine Seele

Lesung (Joh 6, 37-40)

Ich lese aus dem Johannesevangelium im 6. Kapitel nach der Übersetzung der Basisbibel:

Alle, die mein Vater mir anvertraut, werden zu mir kommen. Und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen: Nicht um zu tun, was ich selbst will, sondern was der will, der mich beauftragt hat. Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren, die er mir anvertraut hat. Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag vom Tod erwecken.« Denn das ist der Wille meines Vaters: Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken

Lied: Morgenglanz der Ewigkeit (EG 450, 1-2.4)

Predigt

Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was kann ich hoffen? Was ist der Mensch? Das sind die vier großen Fragen, auf die der Philosoph Immanuel Kant sein Denken aufgebaut hat. Wie erlange ich Erkenntnis? Wie handle ich gut und gerecht? Was hilft mir zur Glückseligkeit? Ist der Mensch herausgehoben von allen Wesen auf der Erde?

Wenn Leute mich persönlich kennen und nach meiner Religiosität fragen, werden sie merken, dass ich nicht sonderlich fromm bin. Mein Glaube ist eine rationale Entscheidung, getragen von tröstender Erfahrung. Ich erzähle davon, um Sie für ihren eigenen Weg zu sensibilisieren. Denn im Angesicht des Todes denken wir über den Sinn des Lebens nach. Meine Entscheidung ist folgende: Im Versuch, das Leben zu verstehen, ihm Sinn zu verleihen, schienen mir all die rein diesseitigen Theorien nicht aufzugehen. Wozu alles, wenn es doch endet? Davon spricht auch der 90. Psalm, den wir vorhin gehört haben: „Du lässt sie dahinfahren wie einen Strom“, wir treiben also im Fluss des Lebens, immer in eine Richtung. „Die Menschen sind wie Gras, das am Morgen noch sprosst und des Abends welkt und verdorrt.“ Und dann sagt der weise Beter vor 2.500 Jahren: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ 

Klug inwiefern? Klug als Hedonist, der alles mitnimmt, was so geht? Carpe diem und nach mir die Sintflut? Klug als Erfüller aller Pflichten und der vollendeten Selbstbeherrschung? Klug, indem man Familie gründet und sich auf den Schutz seiner Nachkommen, seines Weiterlebens in der nächsten Generation fokussiert und alles andere zweitrangig ist?

Ich habe mich für Religion entschieden. Klug heißt für mich: Leben im Angesicht der Ewigkeit Gottes. Immanuel Kant hat bei seiner dritten Frage, „Was kann ich hoffen?“, keinen anderen Ausweg gesehen als die Religion. Und darin: die Jenseitsperspektive. Wenn ich diesseits nicht die Erfüllung von Glückseligkeit erlebe, obwohl ich doch moralisch gut handle, so sehr danach strebe, dann muss es eine Ebene darüber geben. Sie motiviert mich, hält mich, tröstet mich.

Die christliche Religion hat recht anschauliche Bilder für das Jenseits entwickelt. Das meiste davon ist mir fremd. Der jüngste Tag, das endzeitliche Gericht, Christus zur Rechten Gottes als Weltenrichter. Alle biblischen Texte für den heutigen Totensonntag kreisen um dieses Thema und ich habe für die Lesung den für mich zugänglichsten Text gewählt in der Übersetzung der Basisbibel:  

„Denn das ist der Wille meines Vaters: Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken. (Joh 6,40)

Das ewige Leben ist demnach die Folge einer Glaubenserfahrung. Im Glauben an die Ewigkeit Gottes hat der Tod nicht das letzte Wort. Er hat nicht die Macht, mein Leben zu bestimmen. So konnte Jesus zum Friedensbringer werden, zum Heiler, zum Tröster. Er hat sich ins Leben hineingegeben ohne Furcht vor dessen Ende. Wir nennen ihn Gottes Sohn, weil er das in Vollkommenheit getan hat, ohne Begrenzung. Wir dagegen haben enge Grenzen, haben eine kurze Sicht, haben Ängstlichkeit. Das macht uns menschlich. Aber weil wir fähig sind, über den Sinn des Lebens nachzudenken, weil wir Hoffnung brauchen, streben wir über diese Grenzen hinaus.

Der jüngste Tag, oder wie die neuere Übersetzung sagt, der „letzte Tag“, ist die Vorstellung einer Endzeit, in der der Kosmos neu geordnet wird und die Vollkommenheit und Gerechtigkeit des Paradieses eintritt. Erst dann, so die damalige Vorstellung, werden die Toten auferstehen. Weil aber Zeit und Raum im Jenseits verschwinden, glauben wir sie schon jetzt in diesem Paradies.

Für meine Glaubensentscheidung reichen abstrakte Bilder der Ewigkeit. Mir reicht die Vorstellung, dass die Unvollkommenheit, die erlebte Ungerechtigkeit und das Leiden sich auflösen werden im Angesicht der Ewigkeit Gottes, dass Glückseligkeit eintritt. Darauf hoffe ich.

Ich habe eingangs gesagt, dass mein Glaube auch eine tröstende Erfahrung ist. Rein soziologisch und psychologisch betrachtet können wir heute feststellen, dass Religion eingeübt werden will. Es ist ein Angebot, eine Lebensweise, die selten von selbst und spät im Leben über uns einbricht, sondern in die wir hineinwachsen. Dann erst trägt sie in der Krise. Nun bin ich zwar in einem Elternhaus von Ärzten und Abenteurern wirklich nicht fromm aufgewachsen, habe nicht gebetet oder die Bibel gelesen, aber ich habe als Kleinkind in Tansania freiwillig und oft ohne meine Familie viele Stunden singend in der Kirche verbracht und offenbar gespürt, dass es guttut.

Wenn ich also meine rationale Entscheidung in Zweifel ziehe – und das passiert angesichts von Leid und unbeantworteten Warum-Fragen nicht allzu selten, und ihnen wird das ähnlich gehen – dann trägt die Erfahrung: Es tut gut, gemeinsam zu hoffen. Es tut gut, gemeinsam zu beten und das Hier und Jetzt nicht als das Einzige, was ist, zu akzeptieren. Es tut gut, sich hinzugeben in das Leben für diese Welt.

Heute sind viele hier, die dieses Jahr einen lieben Menschen verloren haben. In der Einladung schrieb ich, dass wir Sie heute spüren lassen wollen, dass Sie nicht allein sind mit Ihrer Trauer, dass Gemeinschaft verbindet und stärkt.

In einem kürzlich erschienenen Roman von Paul Auster, den ein liebes Gemeindemitglied mir letzte Woche empfohlen hat und den ich bisher nur in einer Zusammenfassung gelesen habe, beschreibt die Romanfigur Seymour Baumgartner über den Tod seiner Ehefrau folgende Gedanken:

„Sie fehlt mir, das ist alles. Sie war die Einzige auf der Welt, die ich jemals geliebt habe, und jetzt muss ich herausfinden, wie ich ohne sie weiterleben kann.“ Wie das Leben weitergehen kann, das versucht Baumgartner herauszufinden, und irgendwie klappt es auch. Er schmiedet Pläne und findet neuen Lebenswillen.

Es ist kein religiöses Herangehen. Es geht nicht um die große Sinnfrage, das Hoffen und Verstehen. Es geht erstmal um das Weiterleben. Das werden Sie gut nachvollziehen können.

So geht auch der Beter des 90. Psalms an die Sache heran. Aber er zieht die Perspektive des Glaubens mit ein, bringt sich in Beziehung zu Gott. Er bittet Gott um seine Zuwendung und sagt – ich habe das neu aus dem Hebräischen übersetzt: „Bringe uns Freude, denn das Sterben bedrückt uns. Wir haben schlechte Jahre gesehen. Zeige uns dein Wirken, deine ganze Pracht… Denn dann gelingt das Werk unserer Hände. Ja, was wir tun, das wird gelingen.“ 

Darauf hoffe ich und darum bitte ich: dass wir im Glauben an Gottes Ewigkeit Freude finden, dass das Werk unserer Hände gelingen möge, dass wir uns getragen fühlen dürfen bis ins hohe Alter. Amen.

Lied: Ja, ich will euch tragen (EG 380)

Text

Du kannst Tränen vergießen, weil sie gegangen ist,

oder Du kannst lächeln, weil sie gelebt hat.

Du kannst deine Augen schließen und Beten, dass er zurückkommen wird,

oder Du kannst sehen, was von ihm geblieben ist.

Du kannst dem Morgen den Rücken kehren und im Gestern leben,

oder Du kannst dankbar für das Morgen sein, weil Du das Gestern gehabt hast.

Du kannst immer daran denken, dass sie nicht mehr da ist,

oder Du kannst die Erinnerungen an sie pflegen und in Dir weiterleben lassen.

Du kannst weinen und deinen Geist verschließen, leer sein und Dich abwenden,

oder Du kannst tun, was er wünschen würde: Lächeln, die Augen öffnen und weitermachen!

Verlesen der Namen unserer Verstorbenen

Lied: Von guten Mächten (EG 65, 1.5-7)

Text

Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
So weint mir keine Träne nach;
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ew’ger Tag!
 
Wo aller Erdengram verschwunden,
Soll euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für eure Wunden,
Für euern Schmerz will ich erflehn.
 
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
Der Friede übers Weltenreich,
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
Denn von den Sternen grüß’ ich euch!

(zugeschrieben: Annette von Droste-Hülshoff)

Verlesen der Namen unserer Verstorbenen

Lied: Am Abend der Welt

Einführung zum Abendmahl

Kanon: Sanctus Dominus

Einsetzungsworte

Fürbitte und Vaterunser

Einladung und Austeilung

Dankgebet

Lied: Bewahre uns Gott

Bekanntgaben

Segen

Orgelmusik

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