Predigt von Pastorin Isabel Klaus am 27. Februar 2022
Die Ukraine leidet. Wir sehen die Bilder. Wir fühlen mit den Menschen. Wollen helfen.
Wir stehen heute für den Frieden. So wie Gott für den Frieden steht. Wie Jesus für die Friedfertigkeit steht: „Selig sind, die Frieden stiften,“ sagte er in seiner Bergpredigt, „denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich.“
Vergangenen Mittwoch war die Welt noch in Ordnung – mehr oder weniger. Ich war kurz im Urlaub, war voll glücklicher Momente, aufgetankt mit Freiheit und Weite. Und dann holte mich am Donnerstagmorgen eine erschreckende Wirklichkeit ein. Und ich finde noch immer keine Worte. Aber ich finde eine klare Haltung:
Macht Frieden! Stoppt diesen Krieg!
Und weil ich das ganze Ausmaß, die ganzen Hintergründe und die komplexen politischen Verstrickungen gar nicht fassen und durchblicken kann, summe ich seit Tagen dieses Lied: „Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht bringe ich vor dich. Wandle sie in Weite, Gott, erbarme dich.“
Ich summe dieses Lied, weil mir die Berichterstattung um die Ohren fliegt und ich entsetzt bin. Was redet Putin da von Entnazifizierung und Drogenabhängigen? Reichen Sanktionen der EU? Was machen die Kriegsschiffe in der Ostsee? Wie groß wird dieser Krieg?
„Meine engen Grenzen! Meine kurze Sicht bringe ich vor euch.“
Wir kennen aus unserer eigenen Geschichte die Anfänge der letzten beiden Kriege und mir graut davor. Und ich will dieses Grauen in mir bändigen und halte mich an dem Frieden fest, an dem Stückchen Frieden, das uns hier und jetzt umgibt. Und ich wünsche mir, dass dieser Friede kein Ende hat, dass uns keine grauenvollen Zeiten bevor stehen.
Ich dachte in den letzten Tagen, in den letzten zwei Jahren, dass die Pandemie das Grenzwertigste sei, was ich je erlebt habe. Und das war für uns alle eine herbe Grenzerfahrung. Das Wort „Lockdown“ kannte ich bis dahin nicht. Hatte auch noch nie etwas gehört von einer Inszidenz oder einem Hopitalisierungswert. Nach all den Einschränkungen sehnen wir uns nach Weite, nach neuen Perspektiven, nach Unbeschwertheit, nach normalem Alltag.
Nun ist Krieg in der Ukraine. Und es erschüttert mich, dass Putin ernst gemacht hat, dass es kein Säbelrasseln war, keine Machtdemonstration, dass es schon jetzt Gefallene zu betrauern gibt im Nachbarland unserer Nachbarn, dass Menschen aus ihrer Heimat fliehen, um ihre Kinder, ihr Leben zu retten.
Und wir sind gefordert, unsere Solidarität auf die Straße tragen und für den Frieden einzustehen. Das Friedensgebet am Freitag auf dem Marktplatz war so ein Zeichen. Dass unsere Rembertikirche am Abend in Gelb-Blau leuchtet, ist auch ein solches Zeichen. Unser Mitgefühl ist bei den Menschen der Ukraine. Da sind keine Grenzen, da ist ganz viel Weite.
„Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt bringe ich vor dich. Wandle sie in Stärke, Gott, erbarme dich.“
Wir sind ohnmächtig, gelähmt, geschockt im Angesicht dieser völlig veränderten Wirklichkeit. Bremen greift auf die Strategien von 2015 zurück, als wir viele geflüchtete Menschen aus Syrien aufnahmen, um jetzt den Menschen aus der Ukraine zu helfen. Das ist richtig.
Und ich ahne schon jetzt das unheimliche Heimweh all derer, die plötzlich mit einem Rucksack ihr Zuhause verlassen haben. Es sind herzzerreißende Schicksale.
Und auch unter uns kommen Erinnerungen hoch. Aus alter Zeit. Viele von uns haben diese Fluchtbewegungen am eigenen Leib vor vielen Jahren selbst erlebt. Und sie beben und suchen nach einem Halt, der uns jetzt und heute aufrecht hält.
„Wandle meine Ohnmacht in Stärke. Gott hör uns zu! Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit bringe ich vor dich. Wandle sie in Wärme, Gott, erbarme dich.“
Wir brauchen Vertrauen. Vertrauen in die Menschheit. Vertrauen in den Frieden, der immer noch möglich ist.
Bernd Kuschnerus, der Schriftführer der BEK, äußerte sich am Donnerstag bestürzt.
„Wir sind heute morgen im Krieg aufgewacht. Mit dieser Invasion und dem Bombardement bis fast an die polnische Grenze wird das Völkerrecht mit Füßen getreten. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen vor Ort, die in Angst sind und um ihr Leben bangen müssen. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat explizit die Kirchen dazu aufgerufen, sich solidarisch zu erklären und für den Frieden einzutreten.“
Und dieses Friedensgebet am Freitagabend mitten in Bremen war ein wichtiges Zeichen. Aber Beten allein wird nicht reichen. Es braucht unser aller Haltung für den Frieden. Wir müssen für diesen Frieden einstehen – zu ihm stehen. Wir müssen diesen Frieden gegen den Krieg halten – mit Worten, mit Zeichen, mit Kraft.
„Meine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit bringe ich vor dich. Wandle sie in Heimat: Gott, erbarme dich.“
Es werden viele Menschen nach einem Zwischen-Zuhause suchen, bis der Krieg dem Frieden gewichen ist. Wollen wir hoffen, dass noch andere Wege möglich sind und dieser Krieg zu bändigen ist.
Jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, soll still schweigen.
Schweigenstill.
Jeder Mantel, an dem Krieg haftet, soll in Frieden getränkt werden.
Friedenlaut.
Und der Frieden soll kein Ende haben.
Allem Krieg Trotz.
Denn die Menschlichkeit ist erwacht – weltweit.
Und Himmel und Erde werden sich berühren, dass Friede werde!
Dass Friede werde!
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